Fuck Up Wonderland

Stillleben aus dem Barock zeigen die Schönheit der Pflanzenwelt, Landschaftsdarstellungen aus der Romantik den Menschen in seiner Verbundenheit oder Verlorenheit in der Natur. Die Verbindung zwischen Kunst und Natur gibt es schon lange – als Inspiration und als abzubildender Gegenstand. Aber ab den 1960er Jahren tritt eine Kunstströmung konzeptionell an die Natur selbst heran. Mit der „Land Art“ oder auch „Earth Art“, im Deutschen auch als Umweltkunst übersetzt, brachten Künstler*innen wie Robert Smithson, Richard Long, Nancy Holt und Walter de Maria Naturmaterialien als Installation in die Galerie oder arrangierten die Natur vor Ort neu (einen kleinen Überblick dazu bietet die Tate). 

Sind 7.000 gepflanzte Eichen Kunst?

In Deutschland ist einer der prominentesten Künstler, der auch in diesem Spektrum agiert, Joseph Beuys. „Kunst ist die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden können“, soll der in Kleve am Niederrhein aufgewachsene Beuys mal gesagt haben. Joseph Beuys setzte mit seinem bekannten Werk „7000 Eichen“ diesen Ansatz von nachhaltiger und ökologischer Kunst bei der documenta in Kassel eindrucksvoll um. Für ihn war das zur documenta 7 (1984) umgesetzte Projekt Teil einer „Sozialen Plastik“.

Ausschnitt „Don´t Fuck Up Wonderland“

Seitdem gibt es mehrere Künstler*innen, die sich inhaltlich oder formal mit ökologischen Fragen auseinandersetzen, dennoch gibt es keine wirkliche Bewegung oder einen einheitlichen Begriffskanon für diese künstlerische Richtung. Grob wird sie dann entweder der Aktions- und Protestkunst zugeordnet oder sie wird etwa Öko-Kunst genannt, ähnlich wie im Design („Ecodesign“). Eine Nischenthema der Postmoderne.

Aber stellen die aktuellen Ereignisse um uns herum und der Verfall der ökologischen Lebensgrundlagen nicht auch Fragen an die Kunst, die über eine Themennische hinausgehen? In der Kunst, aber auch um die Kunst herum, scheint alles erlaubt zu sein: Nachhaltige Materialien oder Prozesse sucht man vergebens und für den globalen Kunstmarkt und die dazugehörige Kunstverwahrung scheinen ökologische Aspekte nicht zu gelten. Aufwändige Ausstellungsbauten, Materialmassen für Installation und Performances, für Event und Objektherstellung, Klimaanlagen für riesige Museen und riesige Lagerräume – Energiesparen ist hier nicht gefragt, da es die Kunst zu schützen und zu bewahren gilt.

Duty-Free Art: Irrsinn oder Kulturgut?

Nur wie lange gilt das noch, wenn draußen die Welt aus den Fugen gerät und nach neuen Wegen und Methoden ruft? Steht das Kulturgut Kunst so weit über den ökologischen Fragen unserer Zeit, das es für sich alles in Anspruch nehmen darf? Insbesondere wenn man an die Events und Inszenierungen des globalen Kunstmarkts denkt oder an den Irrsinn der eingelagerten Kunstschätze in internationalen Freihandel-Depots wie es Hito Steyerl in ihrer Dokumentation „Duty-Free Art“ aufzeigt. 

Wie reagiert die Kunst auf den Verfall der wunderbaren Landschaften, die noch so schön von den Gemälden leuchten. Eine wunderbare Welt. Natur als kuschelig weiche Hintergrundszene – wonderland á la Monet. Aber wir sind im 21. Jahrhundert und wir müssen andere Frage stellen – auch in der Kunst.

Don‘t fuck up wonderland*! … gilt für uns alle. Auch für die Kunst! 

(* Meine Arbeit „Don’t Fuck up Wonderland“, die ich beim par/cours 2021 zeigen werde, ist eine Referenz auf Fiona Banners (*1966) „Arsewoman in Wonderland“, 2001, ausgestellt im Museum Abteiberg, Mönchengladbach. Als Künstlerin aus Mönchengladbach beziehe ich mich hier auf meinen lokalen Bezugsrahmen.)

Ausschnitt „Don´t Fuck Up Wonderland“